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Die Notwendigkeit ein Dilettant zu sein

Eine Ehr-Rettung

Ich übe heute einen Beruf aus, den es – 1988 – zu Beginn meines Arbeitslebens nicht gab. Wie ist das bei Ihnen? Ist ihr Beruf noch derselbe, der er einmal war?

Noch vor 10 Jahren – 2009 – hat mich kaum jemand mit dem beauftragt was ich heute tue. Außerdem nannte ich meine Arbeit damals noch nicht Wesens/kern/strategie, sondern Markenkernanalyse – das war zu der Zeit etwas anschlussfähiger.

Es war eine Ergänzungstätigkeit, die gut zum damaligen Portfolio meiner Werbeagentur passte. Nur relativ Wenige verstanden, wovon ich sprach. Inzwischen sind es unvergleichlich mehr. Meine Arbeit fasziniert die Menschen.

Warum diese Einleitung über meine Arbeit?
Ich musste neben meinem fachlichen Know-how auch Dilettant sein, um die Wesens/kern/strategie entwickeln zu können. Wie das gemeint ist, lesen Sie in diesem Artikel. Der Auslöser dazu war Markus Coenen (der liebe Mensch, der mir all die Fragen in meinem Podcast stellt). In einer kommentierenden Frage in einem ganz anderen Zusammenhang kam der Begriff Dilettant vor. Das hat mich neugierig gemacht und darüber nachdenken lassen.

Der Dilettant: Von edler Herkunft

Zur Wortherkunft Dilettant fange ich „hinten“ an – also heute: Dem aktuellen allgemeinen Sprachempfinden gemäß ist ein Dilettant jemand, die/der schlechte und stümperhafte Arbeit abliefert.

Ursprünglich war das völlig anders. Der Dilettant leitet sich von lateinisch delectari ab: sich erfreuen, sich vergnügen. Gemeint war die Beschäftigung Adliger, die sich ohne schulmäßige Bildung aus Freude am Tun einem Thema widmeten. Und das in einer tiefgreifenden Weise, so dass sie den ausgebildeten Spezialisten oft in nichts nachstanden.

Ein unglücklicher Nebeneffekt

Offensichtlich wurde nicht-schulmäßig in einer fundamentalen Bedeutungsverschiebung gleichgesetzt mit das-kann-ja-nichts-sein-wenn-die-entsprechende-anerkannte-Ausbildung-nicht-vorweisbar-ist.

Ich vermute, dass das ungewollte negative Auswirkungen unserer Ausbildungs- und Berufsregelungen sind. Sie trennen die Fachleute von den Nicht-Fachleuten. Eine frühe durchorganisierte Form waren die Logen der Steinmetzen. Ihnen folgten die Zünfte. Der Beruf wurde von der Ausbildung bis zu dessen Ausübung in Regeln gefasst. Das treibt dann im Fortgang seine „Blüten“. Ein Beispiel: Heute dürfen Lehrlinge nur noch Auszubildende genannt werden. Alles ist geregelt. Über-geregelt.

Jedes System entwickelt innewohnende Kräfte und Tendenzen. Wenn etwas in einem System manifestiert ist, hat das eine enorme Wirkung. Bis hin zu Bedeutungsverschiebungen in unserer Sprache und damit in unserer Wirklichkeit – das, was wir für wahr und wirklich halten.

Berühmte Dilettanten

  • Goethe studierte Rechtswissenschaften. Literarisch also ein Dilettant.
  • Armin Müller-Stahl ist ausgebildeter Musiklehrer und Schauspieler. Als bildender Künstler ein Dilettant.
  • Laut seinem Wikipedia-Eintrag (Status vom 27.08.2019) arbeitete John Strelecky nach dem College als Strategieberater für Unternehmen. Als Lebenshelfer und weltweiter Bestsellerautor ein Dilettant.

Dilettanten in meiner direkten Umgebung

Ich möchte noch von einem Ehepaar aus meiner direkten Umgebung berichten, das längst im Rentenalter ist. Er war Buchhalter bei einem Konzern. Sie war Schmuckverkäuferin und Hausfrau. Sie pflegen und lieben ihren Garten. Sie kennen jede Pflanze mit lateinischem und deutschem Namen. Alles blüht und gedeiht. So mancher Gärtner kommt – egal zu welcher Jahreszeit – mit seiner Kundschaft in den Garten dieser Dilettanten, um dort die Harmonie und Vielfalt zu zeigen, die alle Besucher unmittelbar erstaunt und verzaubert.

Dilettantismus: Eine wichtige Kraft

Um Neues zu entwickeln muss man über die eigenen Systeme hinauswachsen oder als Quereinsteiger tief eintauchen (denn ganz ohne Handwerk geht es auch nicht). Die Impressionisten konnten nur außerhalb der Akademie entstehen. Ebenso die Expressionisten. Die Surrealisten. Allein Picasso hat sein System x-mal verlassen. „Jaaaha – in der Kunst ist das ja einfach“ höre ich da. Nein dort ist es auch nicht einfach. Es war und ist existenziell. Denn das physische Überleben ist fundamental gefährdet, wenn man „Schmierereien“ produziert, die angeblich jedes Kind kann und niemand kaufen will. Mangelnde Intensität konnte man ihnen keineswegs vorwerfen. Die nicht-schulmäßige Herangehensweise war zwingende Voraussetzung. Im Rückblick wissen wir das.

Dilettantismus: Ein Appell

Was heißt das für unser Wirtschaften? Besser sollte ich fragen: Was heißt das für unser Zusammenleben? Wir brauchen dringend Menschen, die ihrem innewohnenden Impuls folgen – schulmäßige Ausbildung hin oder her – und an ihrem Thema mit Freude dranbleiben. Das sind einerseits Fachleute, die radikal über den Tellerrand schauen – sich also in das Feld des Dilettantismus wagen. Und das sind anderseits – ja genau – Dilettanten ohne schulmäßige Ausbildung.

Winfried Walter Skarke, Wesens/kern/stratege

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Der Autor

Mein Name ist
Winfried Skarke.
Ich bin
Wesenskernstratege
und Entwickler der
Wesenskernstrategie.

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